MIT SPRÜHDOSE IM WHITE CUBE - MARC SCHERER

Streetart in der Galerie - ist das nicht paradox? Nein, findet Marc Scherer. Er gibt in der Kreuzberger ATM Gallery Kunst von der Straße eine Plattform - und legt als Künstler auch selbst Hand an.

Meistens rechnet man wirklich nicht damit: Da biegt man in einen schmuddeligen Straßenzug ein und plötzlich erhebt sich vor einem ein mehrere Meter hoher Raumfahrer, gesprüht an eine Brandschutzmauer. Oder man entdeckt in einem unscheinbaren Baum am Straßenrand unförmige Pelzknäule, die entfernt an Faultiere erinnern und dort von einer Künstlergruppe aufgehängt wurden. Oder ein mal grinsender, mal grimmig dreinblickender Bär verfolgt uns als aufgesprühte Schablonen-Figur durch die ganze Stadt. „Streetart hat einen großen Überraschungseffekt“, sagt Marc Scherer.„Sie schreit lauter ‚Hier!‘ als die Kunst, die nur in Museen ausgestellt wird.“

Marc Scherer betreibt die ATM Gallery in Kreuzberg, eine Galerie für Streetart. Wie bitte? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? „Der natürliche Lebensraum der Streetart ist natürlich auf der Straße“, gibt der 41-Jährige zu. Er ist es gewohnt, dass sein Projekt Fragen provoziert, sowohl von Kunstfreunden als auch von Streetart-Künstler. Einige von ihnen würden nie bei ihm ausstellen. „Das Überraschungsmoment, das man auf der Straße erlebt, fällt in der Galerie natürlich weg. Man ist darauf gefasst, diese Kunst hier zu sehen.“ Für eine Ausstellung schaffen die meisten Künstler daher Werke, die sie in dieser Form nicht auf der Straße zeigen.

 2007 öffnete er die Galerie an der Brunnenstraße im ehemaligen Schalterraum einer Bank. Daher rührt auch der Name, ATM, die englische Abkürzung für Bankautomat. Ich wollte Streetart gerne zeigen wie ‚normale‘ Kunst, also Contemporary Fine Art. Ich denke, beides findet auf dem gleichen künstlerischen Level statt.“ Dann der eher zufällige Umzug nach Schönekreuz, wie Marc Scherer das Randgebiet der Bezirke Schöneberg und Kreuzberg nennt.

Käufer von Streetart sind oft jung und haben nicht viel Geld. Sie sind eher an kleineren Bildern interessiert, die sie für weniger als 100 Euro kaufen können. Darauf müssen sich Künstler und Galerist einstellen. Es gibt allerdings auch Ausnahmen, weiß Marc Scherer: „Die Ausstellung des New Yorker Streetart-Künstlers Futura 3000 in der Münzstraße in Mitte vor einem halben Jahr war nach einer halben Stunde ausverkauft. Die Werke kosteten ab 12 000 Euro aufwärts.“ Oft wird Marc Scherer gefragt, wo man in Berlin außerhalb seiner Galerie Streetart sehen kann. Die Antwort fällt ihm nicht mehr so leicht wie noch vor fünf Jahren. Durch die Sanierung vieler Gegenden schrumpfen die Orte, an denen sich Künstler austoben können. Illegale Graffiti werden in der Regel schon am nächsten Morgen von den Hausbesitzern entfernt.

„Im Rahmen der Backjumps-Ausstellung, einer Streetart-Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien, wurden rund um die Skalitzer Straße mehrere Brandschutzmauern großflächig bemalt“, erklärt Marc Scherer. Die Flächen stellte der Bezirk den Künstlern zur Verfügung, denn längst hat man erkannt, dass Streetart die Fähigkeit hat, Gegenden aufzuwerten. „Dann gibt es Orte wie den RAW-Tempel in Friedrichshain, aber das ist dann eher ein Streetart-Reservat, wo sich schon 600 andere Leute ausgetobt haben.“ Niemand wird überrascht sein, dort ein buntes Bild zu sehen. Marc Scherer weiß, dass sich Streetart nur dann weiterentwickeln kann, wenn sie sich in ihrem natürlichen Umfeld ausleben kann: Und das ist weder in der Galerie, noch auf legalen Flächen, sondern auf der Straße.

Die ganze Story gibt es auf FALKE footprints

Marc Scherers Lieblingsorte in Berlin sind:

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